Er lehrte gut, mit Leib und Seele und er blieb Lehrer auch nach seiner Pensionierung

Dr. Hugo Jokl nach seiner Promotion zum Philosophiedoktor an der Universität Wien

Unser Vater Prof. Dr. Hugo Jokl wurde am 25. April 1891 in Pacov, Žižkova-Straße Nr. 207, geboren. Sein Vater Filip (geboren am 18. November 1855, gestorben in Pacov am 6. Januar 1929) wanderte durch die Gegend und kaufte Lumpen, Knochen und Felle. Seine Mutter hatte drei Söhne und kümmerte sich um den Haushalt und um die Kinder. Der älteste Sohn, Artur, erlernte das Handwerk und ließ sich später in Chýnov nieder, der mittlere Sohn, Richard, gründete ebenfalls ein Textilgeschäft und betrieb es in Pacov in der Žižková-Straße, wo sich heute eine Apotheke befindet. Die Brüder Artur und Richard heirateten die Schwestern Hermann aus Senožaty, Artur die Berta und Richard die Olga.

Seine Mutter und meine Großmutter, Alžběta Joklová, geborene Pachnerová (geboren am 22. November 1856 in Pacov, gestorben 1943 im Ghetto Theresienstadt) wünschte sich, dass ihr Sohn Rabbiner würde. Deshalb ging Papa im Alter von zwölf Jahren nach Prag um zu studieren und absolvierte 1912 das Gymnasium in der Truhlářská-Straße. Er besuchte die gleiche Klasse wie Karel Poláček und ihre Freundschaft hielt Poláčeks Leben lang.

Die Gebrüder Artur (links), Richard (rechts) und Hugo Jokl ca. 1906


Dann ging mein Papa nach Wien, wo es ein Rabbinerseminar gab. Nach seinem Abschluss begann er ein Studium an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien, das er 1922 mit einer Dissertation abschloss. Er unterrichtete später an der tschechischen Comenius-Schule Tschechisch, Deutsch, Latein, Geographie und Geschichte. Als Professor war er sehr beliebt. Davon konnte ich mich persönlich überzeugen, als ich nach dem Krieg in Bohdaneč einen Arzt traf, den mein Vater in Wien unterrichtet hatte. Er erinnerte sich mit großer Liebe an ihn.

Das Hochzeitsfoto von Milada Horáková und Hugo Jokl, Wien 1929

Unsere Mutter lernte Papa im Wiener Club der tschechischen Touristen kennen und 1929 heirateten sie. Mein Bruder wurde 1932, ich selber 1933 geboren. Beide Eltern unterrichteten an einer tschechischen Schule. In den 1930er Jahren übersetzte und redigierte Papa Geschichtslehrbücher für die 1. Klasse der Volksschule für den Tschechischunterricht und beteiligte sich auch am Jubiläumsjahrbuch des Slawischen Dialogs in Wien. Wir wurden von einer Tschechin, Frau Olga, großgezogen. Wir hatten eine glückliche Kindheit bis zum Anschluss im März 1938. Schon am nächsten Tag nahm mein Vater einen Rucksack mit einer Brotzeit, meine Mutter eine Handtasche mit Dokumenten und wir brachen nach Böhmen auf. Mein Vater wollte seine Mutter beschützen, die bereits da und damals über achtzig Jahre alt war. Wir fanden Unterkunft in Pacov, mein Vater unterrichtete am Gymnasium in Tábor, meine Mutter an der Gesamtschule in Pacov.

Im Frühjahr 1939 sind wir nach Tábor umgezogen und 1940 mussten wir die Schule verlassen. Papa gab noch ein Jahr lang Unterricht. Er versuchte, den Kontakt zu seinen Geschwistern und ihren Familien aufrechtzuerhalten. Aus dieser Zeit blieben die Briefe seiner Mutter aus Theresienstadt und seines Neffen Vladimír aus Pacov erhalten, einige davon in Esperanto. 1941 erhielten wir gelbe Sterne. Die eigentliche Diskriminierung begann. Meine arische Mutter unterrichtete noch, doch im Februar 1942 wurde auch sie entlassen. Wir waren mittellos und hatten fast keine Lebensmittelmarken. Sie brachten uns alle in ein Zimmer mit einer Fläche von 56 m2 ohne Badezimmer. Im Oktober 1944 wurde mein Vater in das Arbeitslager Hagibor einberufen und im Januar mit einem Transport nach Theresienstadt gebracht.

Familie Jokl bei einer Feier in Chýnov im Jahre 1938, Oben links: Zdenka J,. Hana Hechtová 8Schwester von Berta und Olga, Hugo J., Richard J., Milada J.. In der Mitte stehend: Vladimír J., unten von links: Berta J., Evžen J., Alžběta J., Věra J., Artur J.


Ende Mai 1945 kehrte mein Vater zurück und wurde ab September wieder als Lehrer angestellt. Er lehrte gut, er liebte es zu unterrichten und er unterrichtete mit Leib und Seele auch nach seiner Pensionierung. Er ging nach Soběslav, um sein Wissen an seine Schüler weiterzugeben, dann auch nach Sezimovo Ústí. Während des Unterrichts hielt er Vorlesungen ohne Vorbereitung, ohne Lehrbuch, auswendig. Er war ein weiser, edler Herr. Wir Kinder und seine Schüler erinnern uns mit Respekt und Liebe an ihn. Er starb am 19. Januar 1960 im Alter von 68 Jahren und wurde auf seinen Wunsch im Familiengrab auf dem jüdischen Friedhof in Pacov beigesetzt.

Věra Chudáčková

Richard Jokl wurde 1889 geboren. 1928 wurde sein dritter Sohn Vladimir geboren. Die beiden vorherigen Söhne starben in jungen Jahren und sind auf dem jüdischen Friedhof in Pacov begraben. Im November 1942 wurde die ganze Familie Jokl über Tábor nach Theresienstadt und später nach Auschwitz-Birkenau deportiert, wo alle siealle umkamen. Sohn Vladimir lernte Esperanto von seinem Onkel Hugo, der während der Besatzung in Tábor lebte. Die erhaltenen Briefe von Vladimir zeugen davon, dass er ein sehr intelligenter und sensibler Junge war.

Artur Jokl wurde 1882 geboren. Er wurde während der Besatzung verhaftet, weil er mit einer Zeitung auf seinem Tisch gesehen wurde, zu einer Zeit, als Juden die „arische Presse“ nicht lesen durften. Für dieses „Verbrechen“ wurde er ins Konzentrationslager Mauthausen gebracht, wo er umkam. Seine Familie wurde 1942 von Chýnov über Tábor nach Theresienstadt und später nach Auschwitz deportiert. Die beiden Kinder Zdena und Jiří reisten jedoch mit dem letzten Schiff nach Palästina, und ihre Kinder Dana und Nora leben heute in den Vereinigten Staaten.