Alle Leute, die ich kannte, blieben bei meinem Großvater stehen und fingen an, mit ihm zu reden

Die Lebensgeschichte des in Pacov geborenen Holocaustüberlebenden Leopold Pachner nach Erinnerung seiner Enkelin Zuzana Lehner und ihrer Mutter Františka Adamová

Leopold Pachner war der Sohn von Anna Pachnerová (* 20.09.1897), geb. Schlesingerová (Tochter von Bernard Schlesinger und Josefina Kohnová, geb. 2.10.1874 in Golčův Jeníkov), deren Vater Adolf 1925 starb. Er hatte einen Bruder, der vor dem Krieg starb und eine Schwester, die im Konzentrationslager umkam. In Pacov hatte er ein Geschäft für feine Lederwaren wie Brieftaschen, Brusttaschen usw. Er reiste angeblich regelmäßig nach Paris, um Modetrends zu verfolgen, und hatte ein ganzjährig im Voraus bezahltes Hotelzimmer in Prag, damit er täglich an Geschäftstreffen teilnehmen konnte. Seine Mutter, Anna Pachnerová, betrieb ein Textil-Kurzwarengeschäft in der Myslíková-Straße 74, wo auch Leopold Pachner geboren wurde.

1939 lebte er in Großbritannien, von wo er zurückkehrte, als seine Mutter krank wurde. Während der Besatzungszeit wurde sein Besitz „arisiert“ und gelangte in die Hände eines deutschen Verwalters. Wie andere Juden aus Pacov wurde Leopold Pachner am 13. November 1942 mit dem Transport Cb-76 über Tábor nach Theresienstadt deportiert. Es gelang ihm, bis Kriegsende im Konzentrationslager zu überleben. Seine Mutter starb am 15. Dezember 1943 in Auschwitz.

Nach dem Krieg kehrte Leopold Pachner nach Pacov zurück, wo er nach und nach sein Eigentum zurückbekam und seine Firma, die sich offenbar in einem guten Zustand befand, wieder zum Laufen brachte. 1948 entschloss er sich, nach Israel zu ziehen. Allerdings wurde das Flugzeug mit seiner Sekretärin, die er entsandte, um alles Notwendige und sichere Räumlichkeiten für die Firma vorzubereiten, über Zypern abgeschossen. Nach diesem schrecklichen Erlebnis wollte er nicht fliegen und beabsichtigte, Israel per Boot zu erreichen. Bevor er jedoch Zeit hatte, alles vorzubereiten, kam der Februar 1948 und seine Reise war danach nicht mehr möglich. Aus dieser Zeit ist sein Schiffskoffer erhalten, den er für die Überfahrt vorbereitete.

Nach 1948 wurde sein gesamter Besitz verstaatlicht, darunter auch das Haus in der Španovského-Straße 174, das in mehrere Wohnungen aufgeteilt war. Für Herrn Pachner blieb lediglich eine Einzimmerwohnung mit Küche übrig, für die er fortan Miete zahlen musste. Er arbeitete als Angestellter in einem städtischen Unternehmen und war dort unter anderem für die Freizeit und Urlaub der Angestellten zuständig. Im Jahr 1950 hat er ein Ferienhaus im Ferienhausgebiet Valcha in der Nähe von Pacov gebaut.

Im hohen Alter stürzte er auf der Treppe seines Hauses. Durch den Sturz kam es zu Gehirnblutungen, die der Arzt nicht rechtzeitig erkannte, und Herr Pachner erkrankte schwer. Das letzte Jahr seines Lebens verbrachte er in einem Pflegeheim in Proseč bei Pošná, wo er von Nonnen gepflegt wurde. Er starb am 26. Mai 1969 und ist der letzte Jude aus Pacov, der auf dem dortigen jüdischen Friedhof begraben wurde.

Leopold Pachner hatte eine Tochter Františka (Králová-Pachnerová, verheiratete Adamová), die 1925 geboren wurde und am 14. Januar 2015 im Alter von fast 90 Jahren starb. Ihre Mutter starb während des Krieges. Während des Krieges versteckte sich Františka auf der Malá Skála bei Turnov, wo Gendarmen sie vor den geplanten Razzien der Gestapo warnten. Das örtliche Kafka-Hotel versorgte sie manchmal mit Essen. Nach der Rückkehr ihres Vaters aus dem Konzentrationslager lebte sie weiterhin bei ihm in Pacov. Seit 1949 wohnte Františka dann in Prag, wo sie auch heiratete. Trotz der Missbilligung ihres Vaters heiratete sie keinen Juden, aber ihr Vater nahm schließlich an der Hochzeit teil und pflegte gute Beziehungen zur Familie und zu den Enkelinnen. Enkelin Zuzana erinnert sich, dass es normalerweise mindestens eine Stunde dauerte, wenn sie als Kind mit ihrem Großvater über den Platz in Pacov ging, weil alle, die ihren Grossvater kannten, stehen geblieben sind und mit ihm lange redeten.

Leopold Pachners Schwester Marta Lewitnerová (2.5.1896–18.10.1942) war mit Josef Lewitner (geb. 1.3.1888) verheiratet, mit dem sie zwei Kinder – Pavla (geb. 29.12.1928) und Karel (geb. 22.3.1931) – hatte. Marta wurde aus unbekannten Gründen im März 1942, also vor dem Novembertransport aus Pacov, von der Gestapo verhaftet. Sie wurde zunächst in der Kleinen Festung Theresienstadt inhaftiert, ab dem 18. April dann im Konzentrationslager Ravensbrück und ab dem 5. Oktober in Auschwitz, wo sie in weniger als zwei Wochen an „allgemeiner körperlicher Schwäche“ starb. 

Der letzte Vorsitzende der jüdischen Religionsgemeinschaft in Pacov Dr. Wertheimer wurde weniger als einen Monat nach ihr verhaftet. Ab dem 20. April war er in der Kleinen Festung Theresienstadt inhaftiert und ab Anfang Mai in Auschwitz, wo er am 1. Juni starb. 

Martas Ehemann Josef und seine beiden Söhne verließen Pacov 1942 mit dem Novembertransport nach Theresienstadt und kamen am 18. Mai 1944 im Familienlager Auschwitz-Birkenau um.